Die irre Irmgard

Haus in der Brugg

Auszug aus dem sechsundzwanzigsten Kapitel
Die irre Irmgard

Als Onkel Georg am nächsten Tag auf Steinleuten vorbeischaute, um sich zu verabschieden, bevor er sich wieder auf den Weg nach Deutschland machte, traf er Quintens Eltern vor dem Haus, das an einer exponierten Hanglage steht. Georg hatte seinen Hut weit in die Stirn gezogen und trug eine dunkle Sonnenbrille, obwohl der Himmel bedeckt war. Er hatte nicht nur eine wackere Beule von seinem Sturz davongetragen, auch das rechte Auge war blau und geschwollen. Das tat seiner guten Laune aber keinen Abbruch, frohgemut begrüsste er meine Grosseltern, die ihn anschauten, als wäre er ein Mitglied der Cosa Nostra. Und so sah er auch aus in seinem dunklen, zugeknöpften Trenchcoat, den schwarzen Hosen und Schuhen, mit dieser seltsamen Brille und den Hut tief ins Gesicht gezogen. Mit einem sardonischen Grinsen auf der Visage stakste er auf dem Hof herum und stierte auf die Hausfassade, als wollte er deren Qualität begutachten. Seine Schwester erkundigte sich nach seinem Kopf und führte ihm im selben Atemzug heftig tadelnd vor Augen, dass er halt noch mehr saufen soll. Onkel Georg grinste noch hämischer und versicherte seiner Schwester, dass seine Blessürchen nicht der Rede wert seien.
«Eine tolle Aussicht habt ihr von hier oben», konstatierte Georg sarkastisch, nachdem er sich von den Hauswänden abgewandt hatte und den Blick über die hügelige Umgegend schweifen liess, die pittoresk vor ihm lag. «Ein wirklich beschauliches Plätzchen, das ihr hier habt.»
«Mir hat es auf Oberstall besser gefallen», antwortete mein Grossvater gleichgültig. «Und auch in der Brugg drunten hat es mir besser gefallen. Die Brugg – das war ein mystischer Ort, voller Geheimnisse. Und ist es auch heute noch.»
«Oh ja, das Haus in der Brugg drunten ist schon etwas Spezielles.» Obwohl die Glaskörperflüssigkeit Georgs Blick trübte, blickte er weiterhin angestrengt in die Ferne. «Das ist in der Tat ein sehr spezielles Haus. Gross, düster und irgendwie unheimlich. Dort spukt es bestimmt.»
«Blödsinn, dort hat es nie gespukt.» Meine Grossmutter bedachte die beiden Männer, die ihre Blicke völlig entrückt an den Horizont hefteten, mit einem vorwurfsvollen und gleichzeitig bemitleidenswerten Ausdruck auf dem Gesicht. «Das Einzige, das in der Brugg herumgespukt hat, war die  gottserbärmliche Tochter vom Hofer Karl, der damals über uns gewohnt hat. Und die war nicht einmal tot, die hat sich schon zu Lebzeiten wie eine Wiedergängerin benommen. Die hätte um ein Haar unseren Quinten mit einer Schere niedergestochen.»
Meine Grossmutter stellte sich zu den Männern und versuchte zu ergründen, was der Horizont in diesem Augenblick offenbarte.
«Ja, ja, das war die irre Irmgard. Die konnte einen wirklich erschrecken.» Quintens Vater zündete sich die Pfeife an und durchbohrte weiterhin den Himmelsraum mit verklärtem Blick. «Die Irmgard, ein unberechenbares Wesen. Ob die immer noch drunten in der Brugg lebt? Bei ihrem Vater?»
«Tut sie nicht. Die haben sie versorgt. Die lebt schon lange im Irrenhaus. Nachdem der Hofer Karl gestorben ist, hat man sie versorgt. So einen Menschen kann man nicht alleine herumkutschieren lassen.»
Quintens Mutter schüttelte beinahe unmerklich den Kopf und begab sich hernach ins Haus, wo sie Kaffee machen wollte.
Die Irmgard war in der Tat unberechenbar. In ihrem Kopf stimmte etwas nicht, und zwar von Geburt an. Als Quintens Eltern in der Brugg einzogen, war er gerade mal fünf Jahre alt. Die Irmgard war damals schon vierzehn, benahm sich aber immer noch wie eine Dreijährige. Und daran sollte sich nichts mehr ändern. Sie lebte bis zu ihrem Ende als Dreijährige im Körper einer Erwachsenen. Im Gegensatz zu ihrem Gehirn bildete sich ihr Körper ganz normal fort, bis sie schliesslich mit einem ausladenden Hintern und einem üppigen Busen gesegnet war. Und da sich Dreijährige keinen Deut darum kümmern, ob sie Kleider am Leibe tragen oder nicht, war es nicht verwunderlich, dass man die Irmgard immer wieder so antraf, wie Gott sie geschaffen hat: nackt, hilflos und unschuldig. Ja sie liebte es geradezu, nackt durchs Haus zu laufen, nicht, um die anderen Bewohner zu erschrecken, sondern vielmehr darum, weil sie stolz auf ihren Körper war, vor allem auf ihren wohlgeformten Busen. Und sie liebte die sanften Kosungen des Windes auf ihrem Körper. Da hatte Quintens Mutter schon recht, die Irmgard spukte nicht nur im Haus herum wie ein nacktes Geistwesen, sie erkundete auch die nähere Umgebung im Evakostüm. Und wenn sie sich zum Schwimmteich hinter dem Haus begab, war sie sowieso nackert.
Quinten konnte sich zu Beginn nicht sattsehen an der Irmgard, wenn sie mit durchgedrücktem Kreuz und steifen Nippeln vom Schwimmen zurückkehrte. Natürlich getraute sich Quinten nicht, zur selben Zeit im Teich zu schwimmen, wenn die Irmgard auch im Wasser war. Einem inzwischen Achtjährigen fehlte für solcherlei Taten einfach der Mut. Über genügend Mut verfügte sein Kumpel Robert, ein wilder Kerl, der keine Gelegenheit ausliess, Schabernack zu treiben. Er war sieben Jahre älter als Quinten, und nachdem er gehört hatte, dass drunten in der Brugg eine blutte Frau herumging und nackert im Schwimmteich badete, wollte er das sofort mit eigenen Augen sehen. Er fackelte nicht lange und begab sich schon wenige Tage später zum öffentlichen Schwimmteich hinter der Brugg.
Die Brugg war und ist ein sehr spezielles Haus an einem sehr speziellen Ort. Und es wurde mitunter von sehr speziellen Leuten bewohnt. Das Haus steht in einem Tobel drunten, umgeben von einem uralten Baumbestand, dessen üppiges Blattwerk einen Grossteil des Himmels verdeckt. Hier war und ist die Natur noch sich selbst überlassen. Überall wuchert und spriesst es, riesige Farne bedecken grossflächig den Waldboden entlang der Ufer des Teichs und des Baches. Man wähnt sich beinahe in einem Urwald aus dem Karbon.
Während der fünf Jahre, die Quinten in der Brugg lebte, bewohnte der Hausbesitzer Hofer mit seiner zurückgebliebenen Tochter Irmgard den dritten Stock mit der grossen Terrasse. Müllers wohnten mit ihrem Sohn Hansli – wie bereits erwähnt – einen Stock tiefer als Quinten. Sie zogen aber wenige Monate später, nachdem der Hansli seine Karriere als Musiker beendet hatte, weg von der Brugg nach Trogen, zurück in die Zivilisation. Nicht zuletzt auch wegen der Irmgard. Die war den Müllers nicht ganz geheuer. Unter dem Dach, direkt über dem Hofer, lebte sehr zurückgezogen der ehemalige Knecht Zellweger. Er liess sich nur selten blicken und pflegte kaum Kontakt zu den Mitbewohnern. Sogar die nackerte Irmgard wurde von ihm rigoros ignoriert.
«Selig sind die geistig Armen», dachte er jedesmal mit geschlossenen Augen, wenn ihm die Irmgard über den Weg lief, nackt wie Gott sie schuf. Als bigotter Mensch musste er im Namen des Herrn der Irmgard verzeihen. Sie konnte ja nichts dafür. Der Zellweger lebte völlig enthaltsam und schwor jeglichem Vergnügen ab, am meisten der Wollust, dieser schlimmsten aller Todsünden. Jeder im Haus fragte sich, was der Zellweger den ganzen lieben langen Tag machte, oben in seiner bescheidenen Dachwohnung. Und vor allem fragten sich das die Müllers, welche schon bald einhellig der Meinung waren, dass der Zellweger ihnen genauso wenig geheuer war wie die bekloppte Tochter vom Hofer. Dabei war der Zellweger einfach nur ein stiller Mensch, der seine Ruhe wollte, der seinen Mitmenschen nach Möglichkeit aus dem Weg ging und der sich leidenschaftlich dem Studium der Bibel widmete. Aber davon wussten die anderen Bewohner in der Brugg nichts. Für sie war er einfach nur ein komischer Kauz, der die Welt um sich herum in seiner Entrücktheit nicht wahrzunehmen schien.
Die Etage zwischen den Hofers und den Müllers bewohnten Quinten, sein Bruder, eine seiner Schwestern und ihre Eltern. Quintens Vater arbeitete auf dem Bau. Früher hatte er als Melker gearbeitet. Und diese Arbeit führte ihn damals bis ins benachbarte Schwabenland, wo er seine zukünftige Frau Elisabeth Schön kennenlernte. Bald schon nahm er sie mit zurück in die Schweiz und gründete eine Familie. Dass Elisabeth bereits eine uneheliche Tochter hatte, störte meinen Grossvater in keinster Weise, im Gegenteil, er nahm sie selbstverständlich als eigenes Kind an. Nebst seiner Arbeit auf dem Bau hielt sich Quintens Vater jahrzehntelang mindestens eine Kuh. Schliesslich war er Melker und konnte mit Kühen, vor allem mit deren Eutern, hervorragend umgehen. So fehlte es im Haushalt meiner Grosseltern väterlicherseits niemals an frischer Milch. Auch während der fünf Jahre in der Brugg konnten sich Quintens Eltern zwei Kühe ihr Eigen nennen. Jeden Morgen mussten Quinten und sein Bruder die beiden Viecher im nahegelegenen Stall holen und sie auf die Weide südlich der Brugg führen, wo sie tagsüber grasten und wiederkäuten.
Seinen Namen hat das Haus daher, weil Wasser darunter durchfliesst, Wasser, das hinter dem Haus im Wald zu eben jenem Schwimmteich gestaut wird, in welchem die Irmgard nackt zu baden pflegte. Das eigentliche Haus wurde auf einen Sockel aus riesigen Natursteinen gebaut, der stark an eine Brücke erinnert. Der aufgestaute Tümpel ist nicht gross, in wenigen Minuten kann man rund um das Gewässer gehen. Gespeist wird der Teich ununterbrochen mit frischem Wasser, das kaskadenförmig durch den Wald fliesst und sich in den Teich ergiesst. Die ausgesetzten Fische, vor allem Forellen, schätzten die gute Wasserqualität und vermehrten sich dementsprechend. Öffentliche Schwimmbäder gab es damals keine in der Gegend, und so erfreute sich der Schwimmteich hinter der Brugg während der Sommermonate regen Zulaufs. Natürlich waren die Frauen anfangs über den Umstand, dass hier ab und an eine Nackte ins Wasser stieg und völlig bedenkenlos ihren Körper zur Schau stellte, nicht nur fassungslos, sondern überaus entrüstet. Den Männern war das egal. Wo bot sich denn sonst die Gelegenheit, ein nacktes Weibsbild begaffen zu können. Und eben diese Gelegenheit wollte sich der Robert auf keinen Fall entgehen lassen.
Laut Quintens Informationen sollte sich Robert an jenem Donnerstagnachmittag im August nicht vor sechzehn Uhr vor der Brugg einfinden. Die Irmgard hatte es sich nämlich zur Gewohnheit gemacht, während der Sommermonate jeden Tag und bei jedem Wetter ihr abschliessendes Bad um sechzehn Uhr dreissig zu nehmen. Dann waren die Mütter mit ihren quängelnden Kindern schon weg, dann hatte sie den Teich für sich allein. Die etlichen jungen Burschen, die um diese Zeit noch um den Teich herum unter den schattenspendenden Bäumen lagen, zogen es vor, der nun folgenden Peepshow vom Ufer aus beizuwohnen. Die besten Plätze am linksseitigen Ufer waren heiss begehrt, und als Quinten und Robert an jenem Tag am Weiher ankamen, erstaunte es sie nicht, dass die guten Plätze bereits besetzt waren. Das war weiters nicht schlimm, denn der Robert beabsichtigte, der Irmgard nicht wie die anderen vom Ufer aus aufzulauern, sondern in den Teich zu steigen und die Nackedei vom Wasser aus in Augenschein zu nehmen. Und er hoffte natürlich, auf diese Weise der Irmgard möglichst nahe zu kommen, so nahe, dass er ihr problemlos an den Bussen fassen konnte. Dass er dabei Publikum haben würde, war ihm egal. Die sollten nur zuschauen, diese Bürschchen in ihren wollenen Badehosen, dann könnten sie noch was lernen.
Das Licht der Nachmittagssonne wurde durch das üppige Blattwerk der hochgewachsenen Bäume gefiltert und legte sich sanft auf das Wasser, über dessen Oberfläche allerlei Insekten sirrten. Am Rand des Teiches schwammen grosse Seerosen. Hie und da sprangen Forellen und schnappten nach Kerbtieren. Während Quinten einmal mehr der Faszination dieses mystischen Ortes erlag, entledigte sich Robert seiner Kleider, bis er splitterfasernackt dastand und Anstalten machte, ins Wasser zu steigen. Er wollte der nackten Irmgard natürlich im Adamskostüm gegenübertreten. Quinten setzte sich auf den Boden und lehnte sich an einen dicken Baumstamm. Auf der anderen Seite des Tümpels fragten sich die Jünglinge, ob der Robert der Irmgard die Show stehlen wollte. Auf jeden Fall wurden sie sich sofort bewusst, dass er ihnen bestimmt die Show vermiesen wird. Einem nackten Kerl im Wasser konnten sie nun wirklich nichts abgewinnen. Also fingen sie damit an, den Robert anzuschreien und ihm nahezulegen, sofort aus dem Wasser zu steigen und die Bühne der Irmgard zu überlassen, welche sich just in diesem Moment von der Brugg her kommend aus den dunklen Schatten schälte. Graziös schritt sie heftig mit ihrem Hintern wackelnd an den aufgebrachten Jünglingen vorbei zum hinteren Ende des Teichs, von wo aus sie in das kühle Nass zu steigen pflegte. Sie würdigte die jungen Kerle keines Blickes, die inzwischen wieder verstummt waren und damit begannen, an ihren Eiern herumzuspielen. Der Robert, bis knapp über dem Bauchnabel im Wasser stehend, traute seinen Augen nicht, als die Irmgard seltsam grinsend zu ihm in den Tümpel stieg, und der Anblick ihres üppigen, wohlgeformten Busens liess seinen Schwanz auf der Stelle hart werden.
Ob die Irmgard jemals realisiert hat, dass sie für manchen männlichen Badegast eine willkommene Wichsvorlage war, entzieht sich meiner Kenntnis. Auf jeden Fall wusste sie, dass Männer etwas zwischen den Beinen hängen haben, das den Frauen fehlt und das sich zuweilen hoch aufrichtet. Mehr wusste sie nicht. Sie hatte auch noch nie einem Mann ans Gemächt gefasst. Bis zu jenem Tag, an dem der Robert mit einem Steifen in ihrem geliebten Teich stand und ihr mit offenem Mund zusah, wie sie sich ihm dämlich grinsend näherte, ihren Busen vor sich herschiebend. Langsam wurde dem Robert mulmig zu Mute, aber er verharrte tapfer an Ort und Stelle, bis die Irmgard so nahe herangekommen war, dass er ihre Nippel an seinem Körper spürte.
Die Jünglinge am Ufer grölten und pfiffen, und der eine und der andere war bereits damit beschäftigt, seinen Schwanz zu bearbeiten. Die Irmgard richtete ihren geistlosen Blick auf die wichsenden Burschen, verzog ihren Mund zu einem noch dämlicheren Grinsen und musste in diesem Augenblick zu der Erkenntnis gekommen sein, dass der Kerl hier vor ihr im Wasser zweifelsohne auch über einen solchen Knüppel verfügen musste. Und bevor sie diesen Gedanken richtig zu Ende gedacht hatte, packte sie Roberts harten Schwanz und liess ihn nicht mehr los. Die Irmgard hatte kräftige Hände, und was sie einmal in Händen hielt, liess sie so schnell nicht wieder los. Spätestens in diesem Augenblick wünschte sich Robert, der Irmgard niemals so nahe gekommen zu sein. Schliesslich wolle er ja die Irmgard begrapschen, bevor er ihr unter Umständen erlaubt hätte, an seinen Schwanz zu fassen.
Die Irmgard hielt Roberts Schwanz mit eisernem Griff umklammert und schaute ihm grinsend zu, wie er sich vor Schmerzen krümmte. Er forderte sie anfänglich lautstark auf, von ihm abzulassen. Nur nützte es nichts, im Gegenteil, die Irmgard griff immer fester zu, und Robert begann sie anzuflehen. Er versuchte sie von sich wegzustossen, aber ohne Erfolg. Wenigstens konnten die Gaffer nicht sehen, was sich unter der Wasseroberfläche abspielte, dachte sich Robert und versuchte, das Beste aus dieser verzwickten Situation zu machen. Vielleicht würde sie von seinem besten Stück ablassen, wenn er seinerseits an ihren Hintern und an ihren Busen fasst, so wie er es eigentlich von Anfang an wollte. Er umfasste abwechslungsweise ihren Hintern und knetete unbeholfen ihre grossen Brüste, was er aber schon bald bedauerte. Denn jede seiner Berührungen liess den harten Griff der Irmgard noch härter werden. Die Irmgard ihrerseits fand immer mehr Gefallen an diesem unverhofften Gefährten, der sich nackt zu ihr gesellt hatte und ihr seinen Knüppel zum Spielen darbot. Noch immer seinen harten Schwanz umklammernd, setzte sich die Irmgard in Bewegung, was die missliche Lage Roberts noch mehr verschlimmerte. Am liebsten hätte er geschrien, aber das Letzte, was er wollte, war, sich vor dieser pubertierenden Rotte wichsender Bürschchen zu blamieren. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich von der Irmgard wie an einem Gängelband durchs Wasser führen zu lassen. Allmählich gelangten die beiden in seichtere Gewässer, und die Stimmung am linken Ufer nahm merklich zu.
Komischerweise erschlaffte Roberts Glied nicht in der Hand Irmgards, was recht erstaunlich war angesichts der Umstände und ein unmissverständliches Indiz dafür, dass der Griff Irmgards derart fest sein musste, dass das in den Penis geschossene Blut nicht mehr zurückfliessen konnte. Oder vielleicht handelte es sich um eine Art Schockstarre. Nun, wie dem auch war, Quinten wusste den Unterhaltungswert dieses peinlichen Schauspiels im Wasser überhaupt nicht zu schätzen und konnte unmöglich nachvollziehen, warum die grölenden Kerle gegenüber auf einmal allesamt in ihren ausgebeulten Badehosen am Ufer standen und die Irmgard anfeuerten, endlich aus dem Wasser zu steigen. Andererseits tat ihm der Robert irgendwie leid und er überlegte sich, wie er dem armen Kerl helfen könnte. Nur fiel ihm nichts Gescheites ein und er überliess den Gepeinigten seinem Schicksal, schliesslich hatte er sich das alles selber eingebrockt.
Inzwischen hatten die beiden Akteure knietiefes Wasser erreicht, was dem Robert gar nicht gefiel und es ihm die Röte ins Gesicht trieb, als er mitansehen musste, wie sich die jungen Kerle vor Lachen krümmten. Die Irmgard schien den Aufruhr zu geniessen und freute sich ungemein, dass sich alle an diesem neuen Spiel erfreuten und das Ihrige dazu beitrugen. Stolz stieg sie aus dem Wasser, den Robert hinter sich herziehend, welcher nun abermals versuchte, Irmgards eisernen Griff zu lösen. Das wiederum missfiel der Irmgard und sie drückte mit der einen Hand noch fester zu und verpasste dem Robert mit der anderen eine Ohrfeige, dass er von seinem Vorhaben augenblicklich abliess und die Welt nicht mehr verstand. Kurz dachte er darüber nach, ob er die Irmgard mit einem gezielten Faustschlag ausser Gefecht setzen sollte. Aber vor so vielen Zeugen ein geistig zurückgebliebenes Mädchen niederzuschlagen, würde seinen eh schon üblen Ruf vollends in schlechtes Licht rücken. Er verwarf diesen Gedanken schnell wieder und wandte seinen gequälten Blick Quinten zu, der sich gerade fragte, was im Kopfe Irmgards wohl vor sich gehe, ob sie denn wusste, was sie gerade tat. Natürlich wusste die Irmgard, was sie gerade tat: Blitzschnell packte sie mit ihrer rechten Hand Roberts Schwanz, und zwar so, dass sie ihrem Opfer den Rücken zuwenden und bequem vor oder neben ihm gehen konnte. Quinten staunte nicht schlecht, als er die Irmgard diese blitzschnelle Handlung vollziehen sah, setzte eine solche doch ein gewisses Mass an Denkvermögen voraus, und darüber verfügte die Irmgard bestimmt nicht. Vielleicht waren das irgendwelche erwachten Urinstinkte, die in den hintersten Winkeln von Irmgards Spatzengehirn schlummerten.
«Quinten, jetzt mach schon etwas, unternimm doch endlich was!», schrie Robert und zuckte zusammen, als sich die Irmgard mit einem heftigen Ruck in Bewegung setzte. «Die reisst mir noch den Schwanz ab!»
Die jungen Burschen kugelten sich vor Lachen und trauten ihren Augen nicht, als die Irmgard wie eine Neandertalerin an ihnen vorbeischritt, ihre Beute fest im Griff. Quinten erhob sich und rieb sich erst einmal die Augen, er traute seinen Sinnen nicht. Was er da mitansehen musste, hatte durchaus was von einem absurden Theater. Er kratzte sich am Kopf und überlegte, wie er dem Robert aus seiner misslichen Lage helfen konnte. Doch ihm fiel wieder nichts Gescheites ein und er las erst mal Roberts Kleider auf und machte sich am jenseitigen Teichufer auf den Weg zurück zur Brugg. Es war ja offensichtlich, dass die Irmgard ihren neuen Spielgefährten mit nach Hause nehmen wollte. Und genau das tat sie auch. Sie wollte den Robert zu ihrem Vater, dem Hofer Karl, bringen, sie wollte ihm ihre Beute präsentieren, wie es Katzen zu tun belieben, wenn sie einen Vogel oder eine Maus geschlagen haben. Die schleppen auch alles bei Frauchen oder Herrchen an. Aber das hätte sie besser nicht getan.
Dem Hofer Karl war das Gegröle, das vom Schwimmteich her kam, nicht entgangen, und da seine Tochter um diese Zeit gewöhnlich ihr Bad im Teich nahm, kam er zum Schluss, dass die Irmgard der Grund für diesen Aufruhr sein musste. Gerade als Quinten das Stauwehr überqueren wollte, wurde er Zeuge, wie der Hofer und seine Tochter mit dem bedauernswerten Robert im Schlepptau am diesseitigen Ufer zusammentrafen. Ohne ein Wort zu sagen, haute er seiner Tochter derart eine runter, dass sie augenblicklich von Robert abliess und fürchterlich zu schreien begann. Dem Robert entfuhr ein Seufzer der Erleichterung. Sofort untersuchte er seinen malträtierten Schwanz und stellte mit Entsetzen fest, dass er von blauen Flecken übersät war. Und als er sich beim Hofer über seine verrückte Tochter beschweren wollte, konnte er gerade noch erkennen, wie die Faust vom Hofer auf seinem Gesicht aufschlug. Robert fiel zu Boden und blieb liegen. Dann haute der Hofer seiner Tochter noch eine runter, bevor er sich mit ausholenden Schritten zu den jungen Kerlen aufmachte, denen das Lachen inzwischen vergangen war.
«Wenn ihr Affen in fünf Sekunden nicht verschwunden seid, kann ich für nichts garantieren. Und ich will keinen von euch wiedersehen, weder hier beim Teich noch in der Nähe der Brugg. Ihr habt alle ausgebadet, ihr perversen Säue.» Dann wandte der Hofer seinen Blick Quinten zu, der immer noch am Stauwehr stand. «Und du Quinten kümmerst dich um deinen dämlichen Kumpel. Sorg dafür, dass er in seine Kleider kommt und auf Nimmerwiedersehen verschwindet.»
Und das war das Ende des öffentlichen Schwimmteichs hinter der Brugg. Der Hofer, dem die Brugg, das Land und somit auch der Teich gehörten, schloss den Tümpel für die Öffentlichkeit. Er liess Schilder aufstellen, auf denen in fetten Lettern stand, dass das Betreten des Grundstücks und das Baden im Teich unter Androhung einer Busse verboten waren. Aber das Schlimmste war, dass er das Baden auch seiner Tochter Irmgard untersagte. Jetzt verstand sie die Welt erst recht nicht mehr. Der Hofer Karl musste seine Tochter zuweilen einsperren, was ihre kindliche Wut nur noch mehr anwachsen liess, und in ihrem Oberstübchen nistete sich langsam aber sicher aus irgendwelchen Gründen die Überzeugung ein, dass Quinten an allem Schuld sein musste.
«Nachdem die Irmgard nicht mehr schwimmen gehen durfte, verfiel sie vollends dem Wahnsinn, der darin gipfelte, dass sie eines Tages mit einer Schere auf meinen Sohn Quinten losging und ihn um ein Haar niedergestochen hätte.» Die Entrüstung stand Quintens Mutter immer noch ins Gesicht geschrieben. «Wäre ich nicht zufällig zur Stelle gewesen, hätten wir gestern Abend keine Hochzeit gefeiert.»
«Ja ja, die Irmgard, die war schon ein verrücktes Weibsbild.»
Quintens Vater schlürfte den Kaffee und musste an den prallen Busen der Irmgard denken.
«Was grinst du so dämlich? Ihr Mannsbilder seid doch alle gleich, ihr konntet euch doch alle nicht sattsehen an der nackten Irmgard.»
«Ist der Schwimmteich öffentlich wieder zugänglich, jetzt wo der Hofer das Zeitliche gesegnet hat und die Irmgard versorgt ist?»
Onkel Georg steckte sich eine Zigarette an.
«Ja, wenn dir nach Schwimmen zumute ist, kannst du jederzeit in den Schwimmteich bei der Brugg hüpfen, aber ohne die Irmgard ist es nicht mehr dasselbe.»
Mein Grossvater konnte ein Kichern nicht verkneifen und handelte sich von seiner Frau einen bösen Blick ein.
«Da hast du bestimmt recht, Franz.» Onkel Georg machte Anstalten aufzustehen. «Es wird Zeit für mich. Ich habe noch einen langen Weg vor mir. Grüsst mir Quinten und Stefanie recht herzlich. Die beiden scheinen ja heute gar nicht aus den Federn zu steigen. Es war ein tolles Fest. Ich lass von mir hören. – Ach ja, und hier», Georg klaubte einen Zettel aus seiner Jackentasche, «gebt bitte diese Liste lesenswerter Bücher dem Quinten. Er soll sich die Bücher besorgen und auf jeden Fall lesen. Auf Wiedersehen.»