Der Kuhficker


Auszug aus dem einundzwanzigsten Kapitel
Der Kuhficker

Meine Mutter Stefanie und ihr Zwillingsbruder Stefan wurden im Stall des Blasl­bauern Zeugen, wie selbiger sich seinen Kühen gegenüber gar seltsam benahm und eigenartige Dinge mit ihnen anstellte. Nachdem Christina ihren Kindern am Vorabend aufgetragen hatte, am Nachmittag des folgenden Tages zu ihr auf den Hof zu kommen, sobald die Schule aus sei, begaben sich die beiden irrtümlicherweise auf den Blaslhof, anstatt den Hof des Ungarn aufzusuchen, wo ihre Mutter vergeblich auf sie wartete. Auf dem Blaslhof schienen alle mit Feldarbeiten beschäftigt zu sein. Niemand war zu sehen, und die Zwillinge begannen, ihre Mutter in den Ställen zu suchen, wo sie möglicherweise die Tiere versorgte. Nachdem sie im Schweine- und im Pferdestall niemanden angetroffen hatten, begaben sich die Kinder zum Kuhstall, dessen Tor seltsamerweise verriegelt war. Also suchten sie ein geeignetes Fenster, um einen Blick in den Stall zu werfen. Leider waren die Fenster zu schmutzig, um etwas erkennen zu können. Die Kinder liefen um den Stall herum und fanden auf der Rückseite ein kleines Gatter, das nur angelehnt war und es ihnen ermöglichte, hinein zu gelangen, wo sie den Blaslbauern sprechen hörten. Sie duckten sich schweigend hinter ein paar Heuballen und beobachteten den Bauern, wie er unter einer seiner Kühe in krummer Haltung kauerte und an deren Zitzen sog, ähnlich wie Romulus und Remus an den Zitzen der Wölfin hingen. Abwechslungsweise nahm er die Zitzen in den Mund und bedachte die Kuh unablässig mit zärtlichen Worten, als spräche er zu seiner Geliebten. Die Zwillinge trauten ihren Ohren nicht und hielten sich die Hände auf den Mund, um mit ihrem Gekicher ihre Anwesenheit nicht zu verraten. Zweifellos fand der Blaslbauer am Euter der Kuh grossen Gefallen, und es machte den Anschein, dass besagtes Organ für ihn nicht nur zur Bildung und Weitergabe von Milch taugte, sondern vielmehr ein Objekt der Begierde war, das von ihm als Zeichen sexueller Erregbarkeit wahrgenommen wurde.
Das Zitzennuckeln war denn auch nur das Vorspiel. Der Blaslbauer kroch unter dem Rindvieh hervor, platzierte seinen eigens für den nun folgenden Akt der Bestialität zurechtgezimmerten Melkschemel hinter seiner Lieblingskuh, wusch ihr mit einem nassen Lappen den Hintern und band ihren Schwanz an einem angerosteten Nagel fest. Dann liess er seine Hosen runter, stellte sich auf den Schemel und rieb an seinem Glied, bis es aufrecht stand und eine beachtliche Grös­se erlangt hatte. Während er mit der rechten Hand an seinem Schwanz he­rumfummelte, tätschelte er mit seiner linken den Hintern und die Vulva der Kuh. Zweifelsohne fand die Kuh an diesen Liebkosungen genauso viel Gefallen wie der Blaslbauer an seinem schändlichen Tun. Meine Mutter und ihr Zwillingsbruder rieben sich kräftig die Augen, denn was sie jetzt zu Gesicht bekamen, konnten sie in ihrer kindlichen Naivität und Unwissenheit weder verstehen noch glauben.
«Was tut er nur mit dem Rindvieh?», fragte Stefan seine Schwester.
«Was weiss ich», antwortete meine Mutter zischend, «auf jeden Fall melkt er die Kuh nicht. Halt jetzt den Mund und schau genau hin, dann können wir alles der Mutter erzählen.»
Stefan kniff die Augen zusammen und beobachtete den Bauern, wie er seinen dicken Schwanz in der Kuh versenkte und heftig mit dem Vieh zu kopulieren begann. Dabei stöhnte er unentwegt und der Schweiss lief ihm von Stirn, Nacken und Rücken. Die Kinder trauten ihren Augen und Ohren nicht.
«Brav Resi, halt schön still», stöhnte der Blaslbauer und traktierte die Kuh immer heftiger. Der Sodomit verlor ob seiner starken Stossbewegungen beinahe das Gleichgewicht und wäre um ein Haar von seinem Fickschemel gefallen. Das kümmerte die Kuh Resi überhaupt nicht und sie kaute mit stoischer Gelassenheit, die allen Rindviechern innezuwohnen scheint, am saftigen Gras herum.
«Himmelherrgott, Resi, du machst mich noch ganz narrisch.» Während er diese Worte sprach, schaute der Bauer auf den Hintern der Kuh Alma, die neben der Resi stand. «Ja Alma, bist neidisch, weil ich mich nicht um dich kümmere. Aber brauchst dich nicht fürchten, morgen bist du wieder an der Reihe.»
Alma war noch ein junges Rindvieh, das noch nicht gekalbt hatte. Und diese Viecher mochte der Blaslbauer ganz besonders.
Als verheirateter Mann kam der Blaslbauer seinen Beischlafpflichten nur noch selten nach, so sehr verausgabte er sich in seinem Kuhstall. Das war der Blaslbäuerin aber egal, war sie doch in einem Alter, in dem das Interesse an der Fleischeslust stetig abnahm. Ausserdem war ihr Gatte ein miserabler Liebhaber, und sie hatte bisweilen das Gefühl, dass er sie besprang wie der Stier die Kuh – ungeduldig, ungestüm und ungelenk. Bestimmt machte er sich nicht viel aus Sex. Hätte die Blaslbäuerin damals schon gewusst, dass sich ihr Mann mehrmals in der Woche, ja beinahe täglich, mit seinen Kühen verlustierte, hätte sie mit Sicherheit anders reagiert und ihre Meinung über die Libido ihres Mannes entscheidend revidieren müssen.
Der Blaslbauer war ein angesehener Mann im Raabtal. Er war ein fleissiger, grosszügiger und gerechter Mensch. Leider eine aussterbende Rasse. Er war allgemein beliebt, beteiligte sich als Mitglied der Österreichischen Volkspartei aktiv an der Gemeindepolitik und glaubte mit seiner Weitsicht an den baldigen Wiederaufbau der Wirtschaft. Überhaupt war die Fortschrittsgläubigkeit die herrschende Ideologie jener Zeit, ohne Rücksichtnahme auf Natur und Umwelt. Davon wussten die Zwillinge nichts, die inzwischen mit offenen Mäulern auf den Hintern des Blaslbauern starrten, der nun in höchster Erregung seinen Samen in die Resi ergoss. Nach ein paar letzten heftigen Zuckungen liess er von der Kuh ab, molk seinen erschlaffenden Schwanz und knöpfte sich hernach die Hosen wieder zu. Dann löste er den Schwanz der Resi vom rostigen Nagel und gab der Kuh einen Klaps auf den Hintern. Die Kinder warteten, bis der Bauer den Stall verlassen hatte, krochen hinter den Heuballen hervor und schlichen zur Kuh Resi, wo sie ihren Hintern einer genaueren Betrachtung unterzogen.
«Was genau erzählen wir der Mutter?», fragte Stefan und warf einen Blick auf das Euter der Resi.
«Was wohl!», antwortete meine Mutter barsch, «der Blaslbauer habe sein Zumpferl in den Hintern der Resi gesteckt. Lass uns gehen.»
Stefan warf einen konsternierten Blick auf seinen eigenen Pillermann und betrachtete ein letztes Mal die schmutzigen Hintern der vier Kühe, die vor ihm standen wie parkierte Autos. Dann schüttelte er seinen Kopf und folgte meiner Mutter nach draussen.
«Resi, wer ist denn die Resi?», fragte meine Grossmutter.
«Die Resi ist eine Kuh», antwortete meine Mutter.
«Seine Lieblingskuh», ergänzte mein Onkel.
«Seine Lieblingskuh?», fragte meine Grossmutter. «Ja und, jeder Bauer hat eine Lieblingskuh.»
«Und seit wann steckt der Bauer seinen Pillermann in die Lieblingskuh?», wollte meine Mutter wissen.
«Er hat seinen Pillermann in die Kuh gesteckt?», fragte meine Grossmutter energisch.
«Ja, hat er.»
«Das glaub ich nicht.» Christina schaute ihren Zwillingen in die Augen und wusste nicht, was sagen. Die Kinder beharrten auf ihrer Aussage und schilderten ihrer Mutter minutiös, was sie auf dem Blaslhof gesehen hatten.
«Kinder, was ihr da gesehen habt, war nicht für eure Augen bestimmt. So etwas ist für niemandes Augen bestimmt. So etwas tut man nicht. Das ist wider die Natur. Ich verlange von euch, dass ihr niemandem davon erzählt. Niemandem.» Christina schaute den beiden so tief in die Augen, dass sie wie gelähmt dastanden und nach Sekunden der Starrheit ihrer Mutter zunickten und ihr versprachen, kein Wort darüber zu verlieren. «Ich werde den Blaslbauern zur Rede stellen, und dann werden wir ja sehen, ob ihr die Wahrheit sagt.»
Leider Gottes war mein Onkel Stefan ein Kind, das alles ins Gegenteil verkehrte und seinen Mund erst recht nicht halten konnte, wenn ihm nahegelegt wurde, nicht da­rüber zu sprechen. Er erzählte es seinen Kumpels, welche es ihren Kumpels erzählten. Und schon bald war der Blaslbauer an den Stammtischen in den Gasthäusern unangefochten das Gesprächsthema. Der angesehenste Bauer in der Umgegend war ein Kuhficker – wer hätte das gedacht.
Der Blaslbauer, der wusste, dass irgendwann seine Neigung zur Zoophilie ans Licht kommen wird, machte keinen Hehl daraus und verteidigte sein widernatürliches sexuelles Gebaren öffentlich. Er verkehrte nach wie vor in den Gasthäusern und liess sich in heftige Debatten über die Kuh ein. Bald wusste jeder im Dorf Bescheid über des Bauern Leidenschaft, aber weder die Behörden noch die Besatzer unternahmen etwas dagegen. Man liess ihn gewähren. Einzig der Kirchenmann schleuderte in mehreren seiner Predigten mit klerikaler Wucht sein Missfallen von der Kanzel und suchte den Sodomiten mehrmals auf seinem Hof auf, um ihn in Gottes Namen von seinem schändlichen Tun abzubringen. Sonntag für Sonntag richtete der Pfarrer lautstark entsprechende Bibelzitate an seine Zuhörerschaft. Der Blaslbauer war kein eifriger Kirchengänger. Vor allem deshalb, weil er sich während der Gottesdienste unbehelligt seinen Rindviechern widmen konnte. Während der Blaslbauer seine Kühe fickte, zitierte der Kichenmann die Bibel.
«Schon im dritten Buch Moses, Kapitel 18, steht geschrieben: Du sollst auch bei keinem Tier liegen, dass du an ihm unrein werdest. Und keine Frau soll mit einem Tier Umgang haben; es ist ein schändlicher Frevel.»
Die Leute bekreuzigten sich unentwegt und viele richteten ihren Blick beschämt auf ihre zum Gebet gefalteten Hände.
«Und im selben Buch Moses, Kapitel 20: Wenn jemand bei einem Tiere liegt, der soll des Todes sterben, und auch das Tier soll man töten.» Und als Schlusswort beliebte der Kirchenmann, seinen Schäfchen folgendes Bibelzitat mit auf den Weg zu geben: «Und im 5. Buch Moses, Kapitel 27, steht geschrieben: Verflucht sei, wer bei irgendeinem Tier liegt!»
Und da der Blaslbauer den Gottesdiensten fern blieb, suchte ihn der Pfarrer – wie bereits erwähnt – auf seinem Hof auf.
«Du kannst froh sein, dass dein Vergehen nicht mehr mit dem Tod geahndet wird. Die Bestialität stand im gesamten christlich geprägten Abendland bis vor wenigen Jahren unter Todesstrafe. Kuhficker wurden geköpft oder auf dem Scheiterhaufen verbrannt.»
Der Kirchenmann fuchtelte wie ein Exorzist mit seinem Kruzifix vor dem Gesicht des Blaslbauern herum, als wollte er einen Dämonen vertreiben. Und wieder zitierte er die heilige Schrift.
«Schon in der Bibel steht geschrieben, dass, wenn jemand bei einem Tiere liegt, er des Todes sterben soll, und auch das Tier soll man töten. Ihre Blutschuld komme über sie. Hast du schon mal an die möglichen Folgen gedacht, die dies schändliche, widernatürliche Treiben nach sich ziehen könnte? Was ist, wenn eine deiner missbrauchten Kühe ein Monster gebiert. Wenn die Behörden oder die Kirche nichts dagegen unternehmen, wird Gott selbst dies schändliche Treiben bestrafen, indem er aus dieser Verbindung ein missgestaltetes Wesen entstehen lässt, das uns allen – aber vor allem dir – vor Augen halten soll, dass der Mensch nicht wider die Natur und wider Gott handeln soll.»
Der Kirchenmann gab sich viel Mühe, um dem Blaslbauern klarzumachen, dass es so auf keinen Fall weitergehen könne, und verlangte von ihm, ihn sofort zum Beichtstuhl zu begleiten, wo er seine unsäglichen Sünden bekennen, bereuen und Gott um Vergebung bitten solle.
Während der Kirchenmann seine Standpauken hielt, verrichtete der Blaslbauer unbeeindruckt seine Stallarbeiten und gab seinen Lieblingen gelegentlich einen Klaps auf den Hintern, was dem Pfarrer sehr missfiel, er sich sofort bekreuzigte und dem Sodomiten ein weiteres Zitat an den Kopf schleuderte.
«Und im 3. Buch Moses, Kapitel 19, heisst es: Lass nicht zweierlei Art unter deinem Vieh sich paaren und besäe dein Feld nicht mit zweierlei Samen und lege kein Kleid an, das aus zweierlei Faden gewebt ist.»
Der Blaslbauer war kein Dummkopf. Er genoss eine gute Schulbildung und war bibelfest. Er kannte das alte Testament wie seine Westentasche.
«Jetzt hören Sie schon auf mit ihren dämlichen Bibelzitaten. Damit können Sie mich gar nicht beeindrucken. Ausserdem ist die Bibel voller Stellen, die von Ehebruch, Inzest, sexueller Belästigung, Vergewaltigung, Transvestitismus, von sexueller Nötigung mittels Drogen, von Sadismus, Voyeurismus, Exhibitionismus, von Sodomie und Nekrophilie handeln. Zum Beispiel Enoch, Kains Sohn. Als erster Sohn Adams und Evas konnte Kain seinen Nachwuchs nur mit seiner eigenen Mutter gezeugt haben. Zu dieser Zeit gab es ja keine andere Frau als Eva. Höchstens eine ungenannte Tochter, also seine eigene Schwester. Das war Inzest in Reinkultur. Und auch unser biblischer Held Moses ist die Frucht einer inzestuösen Beziehung zwischen seinem Vater Amram und dessen Tante Jochebed. Und was mich betrifft: Was heisst denn hier widernatürlich! Die Natur hat es so eingerichtet, dass das Tier vom Menschen unterjocht wird. Und das schon immer. So steht es in der Bibel. Ob ich die Kuh melke oder ficke, ist doch Einerlei. Und ich habe noch nie von irgendwelchen Monstern gehört, die aus der Unzucht mit Tieren hervorgegangen sind. So was lässt die Natur nicht zu.»
«Und was ist mit dem Minotaurus?», hielt ihm der Kirchenmann entgegen. «Ist dieses widerliche Geschöpf nicht aus einer Mesalliance zwischen Pasiphaë, der Tochter des Helios, und einem weissen Stier hervorgegangen, dem ihre ganze Leidenschaft gegolten hat. Ihren Gatten, den kretischen König Minos, verschmähte sie, wie du ja deine Frau auch vernachlässigst und nicht mehr begehrst. Dass sich Pasiphaë dermassen und ausschliesslich zu dem Stier hingezogen fühlte, war die gerechte Strafe Poseidons, weil es Minos versäumt hatte, den weissen Stier dem Meeresgott zu opfern. Um sich dem Objekt ihrer Begierde hinzugeben und sich von ihm besteigen zu lassen, bedurfte es einer Finte, denn das stolze Tier würde sich ja kaum mit einem menschlichen Wesen vereinen. Also liess sich Pasiphaë vom Bildhauer Dädalus einen hölzernen Kuhkörper bauen, kauerte sich auf allen Vieren in denselben, verführte das tumbe Tier mit der Attrappe und konnte sich schliesslich mit ihm sexuell befriedigen. Der weisse Stier fällt auf die Trojanische Kuh herein, und Pasiphaë bringt neun Monate später ein Monster aus Mensch und Kuh zur Welt – den Minotaurus.»
Der Kirchenmann verlor sich für einen Augenblick in seinen mythologischen Gedanken und erzählte dem Bauern vom Labyrinth, das Dädalus erbauen musste, um eine sichere Unterbringung des Monsters garantieren zu können. Als er dann erst richtig loslegte und die Geschichte des Theseus erzählte, der den Minotaurus in seinem Labyrinth getötet hat und mit Hilfe eines Fadens, den er von Ariadne, der Tochter des Minos, bekommen hat, wieder aus dem Irrgarten fand, reichte es dem Blaslbauern und er hiess den Kirchenmann, endlich das Maul zu halten.
«Verschonen sie mich mit ihrem mythologischen Quatsch, das sind doch alles nur Märchen.»
Der Blaslbauer hantierte genervt mit seiner Heugabel herum, als wollte er seinerseits einen Dämonen aus dem Stall jagen. Langsam drängte er mit seinem Gefuchtel den Kirchenmann hinaus, der unentwegt sein Kruzifix dem aufgebrachten Bauern entgegenhielt und ihn nochmals vehement aufforderte, die Beichte abzulegen und seinem schändlichen Tun Einhalt zu gebieten.
«Ich wüsste nicht, was es da zu beichten gibt», sprach der Blaslbauer, «ich behandle meine Kühe schliesslich besser als meine Frau. Ich gehe sehr behutsam mit ihnen um. Mit Tierquälerei hat das nicht im Geringsten etwas zu tun – im Gegenteil, die Kühe lieben mich, und ich liebe die Kühe. Und Gott, der Herr, scheint nichts dagegen zu haben, sonst würde er es ja nicht zulassen.»
Dem wusste der Kirchenmann nichts entgegenzusetzen und gemahnte den uneinsichtigen Sodomiten ein letztes Mal, bevor er sich von diesem gottverlassenen Ort entfernte.
Eine Woche vorher hatte Christina den starrsinnigen Bauern zur Rede gestellt und schnell gemerkt, dass dessen Sturheit grenzenlos war. Er wollte partout nicht wahrhaben, dass sein Tun seinem Ansehen schadete, und sich die Menschen mehr und mehr von ihm abwenden werden. Und dass ihre Zwillinge ihn auf frischer Tat ertappt hatten, war für Christina unentschuldbar. Sie könne es nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, noch länger für ihn zu arbeiten. Also kündigte sie ihr Anstellungsverhältnis mit sofortiger Wirkung und arbeitete in der Folge ausschliesslich auf dem Hof ihres Ungarn.
Am gelassensten reagierte die Blaslbäuerin. Als einzige Konsequenz verwies sie ihren Gatten des gemeinsamen Schlafzimmers. Sie hatte ihn weder verlassen, noch wollte sie ihn von seinem schändlichen Tun abbringen. Im Gegenteil, sie wusste, dass ihr bornierter Gatte unbelehrbar war und liess ihn gewähren. Er solle sich nur weiterhin zum Gespött machen, ihr sei das egal.
Der Blaslbauer liess sich von nichts und niemandem beeindrucken und machte weiter. Das Interesse der Öffentlichkeit am Blaslbauern und seinen Kühen liess allmählich nach, und schon nach einem Jahr war die unangenehme Chose so gut wie vergessen. Nur der Kirchenmann konnte nicht darüber hinwegblicken. Er zweifelte an seiner Überzeugungskraft und somit an seiner Rolle als Seelsorger. Als Gottesmann war es seine dringlichste Aufgabe, die Gemeinde gemäss den Kirchengesetzen und im Namen des Herrn zu leiten. Zum Wohle aller. Und das gelang ihm nicht. Am schändlichen Tun des Blaslbauern zerbrach allmählich der Kirchenmann. Er verfiel in eine elende Schwermut und zweifelte je länger je mehr an sich selber. In seiner Entrücktheit vernachlässigte er seine Pflichten, die Predigten verloren an Kraft und Überzeugung, seine seelsorgerliche Betreuung liess zu wünschen übrig und seine bis anhin imposante Erscheinung verblasste zusehends. Er selber betrachtete diese Entwicklung als gerechte Strafe Gottes, weil es ihm nicht gelungen sei, einen fehlbaren Menschen zurück auf den Pfad der Tugend zu führen.
Der Blaslbauer und der Kirchenmann starben im selben Jahr, sogar im selben Monat. Im August 1950 wurde der Sodomit während Feldarbeiten vom Blitz getroffen und war auf der Stelle tot. Die beiden Kühe Resi und Alma erfuhren dasselbe Schicksal – der Zorn Gottes hatte auch sie nicht verschont. Jetzt würden alle drei in der Hölle schmoren, wo der Blaslbauer bis in alle Ewigkeit seine beiden Kühe fickt. Wenige Tage später fand man den Kirchenmann in einem der Schlossteiche. Er sei beim Versuch, mit der Reuse einen Fisch aus dem Teich zu hieven, hineingefallen und ertrunken – sagte man zumindest. Tatsächlich war die Fischzucht in den Teichen um Kirchberg zu jener Zeit wieder sehr ertragreich und half den Einwohnern über den Fleischmangel der ersten Nachkriegsjahre hinweg. Aber dass der Kirchenmann beim Fischen ins Wasser gefallen war, glaubte niemand so richtig. Vielleicht wollte er dem Blaslbauern einfach nur folgen, um im Jenseits seinen Pflichten nachzukommen, um seinem Herrn zu beweisen, dass er seiner Aufgabe doch noch gewachsen war – oder er hatte einfach nur die Schnauze voll und bereitete seinem jämmerlichen irdischen Dasein ein Ende.
«Gottes Wege sind unergründlich.»
Das waren die ersten Worte des neuen Kirchenmanns in Kirchberg bei seiner Antrittspredigt. Offensichtlich waren das seine Lieblingsworte, denn er gebrauchte sie bei jeder seiner gehaltlosen Predigten, denen es an Kraft und Überzeugung mangelte. Die Einwohner von Kirchberg trauerten noch lange ihrem früheren Kirchenmann nach und bekundeten sichtlich Mühe am neuen Gottesmann. Dieser haderte denn schon bald mit seinen Vorgesetzten und bat um eine Versetzung, was ihm aber verweigert wurde. Er war seiner Aufgabe offenkundig noch weniger gewachsen, als es der frühere Pfarrer glaubte gewesen zu sein. Anstatt sein Unvermögen zu erkennen, machte er die Bürger von Kirchberg dafür verantwortlich, dass es ihm nicht gelang, zu ihnen durchzudringen. Die Quittung dafür erhielt er umgehend. Immer weniger Leute besuchten seine faden Gottesdienste. Einige wichen sogar auf die benachbarten Kirchgemeinden aus. Auch Christina gab ihrer Unzufriedenheit Ausdruck, indem sie sich wortreich bei ihrem Ungarn über die Unfähigkeit des neuen Kirchenmanns ausliess. Der Ungar, selber überzeugter Atheist, ermunterte seine Geliebte, der Kirche in Zukunft fernzubleiben und die Zeit der Gottesdienste sinnvoller zu nutzen.
«Wenn es eurem Gottesmann nicht einmal mehr gelingt, die Illusion – den grössten Trumpf einer jeden Religion – aufrechtzuerhalten, dann hat er den falschen Beruf gewählt. Eure Trugbilder vom Jenseits und den höllischen Feuern werden sich nicht mehr halten können. Der ganze klerikale Hokuspokus verliert seine betäubende Wirkung, und viele von euch werden sich nicht nur vom neuen Gottesmann abwenden, sondern vom Glauben selbst. Ihr werdet endlich begreifen, dass der immer wieder versprochene Messias nicht erscheinen wird. Auch wird das auserwählte Volk Israels ihren Jehova nie zu Gesicht bekommen. Ebenso wenig wird den Schiiten der Mahdi erscheinen, und die angekündigte Weltenherrschaft Allahs wird auf ewig ein leeres Versprechen bleiben. Alle Gläubigen werden ein Leben lang an der Nase herumgeführt, sie werden mit Beteuerungen in Sonntagsreden, in Freitagspredigten oder in Sabbatlitaneien abgespeist und darauf vertröstet, irgendwann erlöst zu werden und ins himmlische Königreich einzufahren. Alles nichts als Ankündigungen, die nicht eingehalten werden. Schlussendlich können die Heilslehren der beiden Monotheismen nichts beweisen, im Gegenteil, sie wollen auch nichts beweisen, sie wollen lediglich die Illusion aufrechterhalten, an die sich die Gläubigen mit Inbrunst klammern. Der Glaube an eure jeweiligen Götter ist schon lange unglaubwürdig geworden. Religionen sind Phantasmagorien in Reinkultur, ein perfekt inszeniertes Theater auf der lächerlichen Bühne der Gottesfurcht.»
Meine Grossmutter Christina staunte nicht schlecht, als sie ihren Ungarn diese Worte sprechen hörte. Gebannt lauschte sie seinen Ausführungen und dachte insgeheim, dass dem neuen Kirchenmann gerade diese Eloquenz und Überzeugungskraft fehlten, über die ihr Geliebter verfügte. Christina kuschelte sich noch enger an ihren Ungarn und lauschte mit geschlossenen Augen seinen gescheiten
Worten.
«Die meisten Menschen haben die Neigung, an die Absurditäten zu glauben, welche ihnen von fanatischen Predigern aufgetischt werden. Und wenn sie dich erst einmal so weit gebracht haben, dann schaffen sie es auch, dass du bereit bist, schändliche Gräueltaten zu begehen. Und alle paar Hundert Jahre schlagen sich die geblendeten Gläubigen im Namen ihres Glaubens gegenseitig die Köpfe ein, nachdem sie endlich realisiert haben, dass sie in ihrer Blind- und Dummheit nichts als Schimären aufgesessen sind. Und anstatt ihre Empörung gegen ihren eigenen Glauben zu richten, schleudern sie diese gegen die anderen Monotheisten, die ebenso genervt und unerlöst einen Herrgott verehren, der in ihren Köpfen als allgewaltige Illusion herumgeistert. Sie ziehen in den Krieg und töten einander, nur um zu beweisen, dass ihr Herrgott der bessere, der gütigere, der einzig wahre ist. Was für ein Blödsinn.»
Natürlich liess sich meine Grossmutter nicht so schnell von ihrem Glauben abbringen, was sie ihrem ungläubigen Ungarn denn auch sagte, während sie aus der Bettstatt stiegen und sich die Kleider überzogen. Es sei unwichtig, an welchen Gott man glaube, welcher Illusion man anheimfalle, viel wichtiger sei, dass man glaube, woran auch immer. Ob man seinen Gott in den Naturgesetzen vermute, oder den immerwährenden Trugbildern von Himmel, Hölle und Fegefeuer aufsitze, oder ob man seinen Blick nach innen richte und den Erlöser dort zu finden hoffe, das seien nur Indikatoren und Anreize für das Glauben an sich. Im Akt des Glaubens liege die Kraft, die dem Menschen sein Dasein auf Erden erleichtere.
«Und die Tatsache, dass du an nichts und niemanden glaubst, heisst nichts anderes, als dass du dennoch glaubst. Wir glauben an unseren Herrgott, und du glaubst an das Nichts, was möglicherweise ein und dasselbe ist.»
Nachdem Christina diese Worte gesprochen hatte, küsste sie ihren Ungarn auf den Mund und verliess die Schlafkammer. Der Ungar knöpfte sich Hemd und Hose zu. Er fühlte sich gut, er war glücklich. Lächelnd verliess auch er die Kammer, stieg die schmale Treppe hinunter und machte sich wieder an die Arbeit.
Der neue Kirchenmann verlor langsam aber sicher alle seine Schäfchen. Nur noch die Ältesten besuchten seine Gottesdienste. Und die waren entweder taub, dement oder beides. Das setzte dem Gottesmann allmählich heftig zu. Und so kam es, dass an einem Herbstsonntag im Jahre 1952 das Kirchentor geschlossen blieb. Es fand keine Sonntagsmesse statt. Der Pfarrer war verschwunden. Und er blieb verschwunden. Alles Suchen half nichts. Er war wie vom Erdboden verschluckt. Die Einwohner Kirchbergs waren ob des plötzlichen Verschwindens ihres Kirchenmannes nicht sehr erstaunt und hofften insgeheim, dass er auf der Flucht vor sich selber und seinem Gott endlich sein Heil fände. In der Gemeinde war man gespannt auf den nächsten Pfarrer, dessen Ankunft auf den Frühling 1953 angekündigt war. Während sich die einen in Mutmassungen und kühnen Erwartungen ergingen, machten sich andere Gedanken darüber, ob vielleicht über dem örtlichen Gotteshaus ein Damoklesschwert hinge, oder ein Fluch läge, dem in Zukunft alle Pfarrer zum Opfer fallen würden. Angefangen hatte alles mit dem schändlichen Tun des Blaslbauern. Hätten meine Mutter und ihr Zwillingsbruder den Sodomiten nicht in flagranti erwischt, wäre alles bestimmt anders gekommen. Der frühere Kirchenmann wäre dem Dorf länger erhalten geblieben. Er hätte seine Schäfchen behütet, sie davor abgehalten, aus dem vertrauten Gehege auszubrechen. Die Kirchgemeinde wäre intakt geblieben.
Der Kirchenmann, der im Frühling 1953 sein Amt in der Gemeinde Kirchberg antrat, übertraf alle Erwartungen und blieb dem Dorf zweiunddreissig Jahre erhalten. Seine Gottesdienste waren abwechslungsreich, seine Predigten klug und fesselnd. Er interessierte sich sehr für Politik und verlor sein Interesse daran auch nicht, als sich die katholische Kirche mehr und mehr aus der Politik zurückzog und fortan gleiche Distanz zu den Parteien wahrte. Gekonnt fügte er die politischen Ereignisse jener Zeit in seine Predigten ein, denn er betrachtete es als unbedingt notwendig, den politisch Uninteressierten auf dem Land die Genesung und das Wiedererstarken  ihrer Heimat so nah wie möglich zu bringen. So erwähnte er immer wieder, dass eines der grössten politischen Probleme des Staates dessen unvollständige Souveränität sei. Und auch die leidliche Tatsache, dass das Land immer noch von den Alliierten besetzt war. Zehntausende Russen befänden sich immer noch in Niederösterreich, im Burgenland und in Oberösterreich nördlich der Donau. Nicht zu schweigen von den über zwanzigtausend Westalliierten in den übrigen Bundesländern. Er sprach nur in löblichen Worten von den Engländern, die sich in Kärnten und der Steiermark aufhielten. Er erwähnte die Franzosen in Tirol und Vorarlberg und die Amerikaner in Salzburg und Oberösterreich südlich der Donau. Sichtlich Mühe bereitete ihm, dass sein geliebtes Wien in Sektoren aufgeteilt war und von einer interalliierten Kommandantur verwaltet wurde. Und deswegen sei das vorrangige Ziel der österreichischen Politik der Abschluss eines Staatsvertrags. Das wirtschaftlich schwache Land wolle für die Kosten, die es für diese Besetzung selbst bezahlen musste, nicht mehr länger aufkommen. Die Politiker wollten eine Art Sonderfrieden nach dem Zweiten Weltkrieg, doch die Verhandlungen gestalteten sich als schwierig. Diese politischen Entwicklungen baute der Gottesmann gekonnt in den Kontext seiner Predigten ein, ohne seine wichtigste Aufgabe – die Aufrechterhaltung der Illusion des Glaubens – zu vernachlässigen oder aus den Augen zu verlieren.
Der neue Kirchenmann holte nicht nur seine Schäfchen in ihr angestammtes Gehege zurück, er sorgte auch für deren politische und zeitgenössische Aufklärung. Der Pfarrer genoss hohes Ansehen. Sogar der gottlose Ungar unterhielt sich zuweilen mit dem Gottesmann, vornehmlich über Politik und Wirtschaft. Christina besuchte mit Aleksandra, den Zwillingen und mit ihrem Jüngsten wieder wöchentlich die Gottesdienste. Aufmerksam lauschten sie den Worten des Pfarrers, als er 1954 von den ersten vielversprechenden Ergebnissen berichtete, die nach dem Tode Stalins während des Tauwetters der Ost-West-Beziehungen zustande gekommen waren. Während der Endphase jener Verhandlungen sei das Wort Neutralität der Schlüsselbegriff gewesen. Und für diese Neutralität traten auch die österreichischen Parteien ein. Dass sich die beiden grossen Parteien schon über weite Strecken entideologisiert hatten und zur Zusammenarbeit bereit waren, dass es also friedlich zu- und herging, war zweifelsohne ein Grund mit dafür, dass es im März 1955 bei Verhandlungen in Moskau endlich zum Durchbruch kam. Schliesslich konnte am 15. Mai 1955 der Österreichische Staatsvertrag von den Aussenministern der Alliierten und dem österreichischen Aussenminister in Wien unterzeichnet werden. Und genauso bewegt wie Aussenminister Figl vor den freudetrunkenen Menschen verkündete, dass Österreich endlich frei sei, verkündete der Kirchenmann in Kirchberg dieselben Worte von der Kanzel herab. Alle hatten diesen Tag herbeigesehnt und die Freude war unbeschreiblich.
Die Souveränität Österreichs war somit wiederhergestellt. Der Anschluss wurde für null und nichtig erklärt. Und in letzter Minute gelang es den Verhandelnden, dass die Mitschuld Österreichs am Zweiten Weltkrieg aus dem Vertrag gestrichen wurde. Die Besatzung war zu Ende.
Während Österreich als neutrales Land wiedergeboren wurde und seine staatliche Souveränität fortan praktizierte, befand sich meine Mutter bereits in Mariazell, wo sie bei einem angesehenen Friseur ihre Lehrzeit zur Hauswirtschafterin und Köchin begann. Ihr Zwillingsbruder wurde Fabrikarbeiter und Baggerführer. Josef hatte unmittelbar nach der Schule auf einem Donauschiff angeheuert und wurde Matrose. Seinem Ziel, die Welt zu bereisen und alle Frauen dieser Welt zu lieben, kam er näher und näher. Der kleine Rudi ging noch zur Schule und sollte später den Beruf des Kaminfegers erlernen. Aleksandra kehrte zusammen mit ihrer Schwester nach Polen zurück, wo sie nach Angehörigen ihrer Familie suchten, aber niemanden mehr fanden. Christina pflegte ihre sehr offene Beziehung zu ihrem Ungarn weiterhin, bis ein neuerlicher Schicksalsschlag dieser Liaison ein abruptes Ende setzte. Und Herr Poxleitner machte im Jahre 1958 in der Schweiz die Bekanntschaft meines Vaters.